Die Kunst, Nein zu sagen

von | 19. Juni 2020

Nein zu unseren Kindern und Partnern zu sagen ist eine große Herausforderung für uns. Am liebsten würden viele Eltern ihren Kindern alle Wünsche erfüllen. Doch schaffen wir es nicht, Nein zu sagen und uns für unsere Grenzen und Bedürfnisse einzusetzen, schleicht sich eine Unzufriedenheit ein, die uns irgendwann bei der kleinsten Kleinigkeit explodieren lässt. Vor allem Frauen haben oft das Gefühl, alles für die Familie gegeben zu haben und sind enttäuscht, wenn diese immer noch Forderungen stellt, statt glücklich zu sein.

Wenn wir zu wenig auf uns achten, sowohl in der Familie als auch im Beruf, beginnen wir damit, den anderen die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Das hat bestimmt jeder schon mal erlebt. Dann sind z.B. die Kolleg*innen schuld, dass ich so überarbeitet bin.

Ich habe vor einiger Zeit mit einer Frau gearbeitet, deren Strategie es war, ihrer Tochter alle Wünsche zu erfüllen, um eine gute Beziehung zu ihr aufzubauen. Beide waren sie, als sie zu mir kamen, resigniert, traurig und ratlos. Die Mutter war frustriert, weil ihre Tochter unglücklich war, und die Tochter fühlte sich von ihrer Mutter nicht geliebt und gesehen.

Dürfen wir mit gutem Gewissen Nein sagen? Je näher uns jemand steht, desto schwieriger ist es für uns, Nein zu sagen. Das geht auch mir so, obwohl ich mich schon jahrelang intensiv mit diesem Thema auseinandersetze. Wir grenzen uns nicht ab und wagen es nicht, uns deutlich auszudrücken. Dafür gibt es viele Gründe:

  • Wir haben Angst, unsere Lieben vor den Kopf zu stoßen oder unseren Partner zu verlieren.
  • Es war uns als Kindern nicht erlaubt, Nein zu sagen.
  • Wir wollen für unsere Kinder und Partner wertvoll sein.
  • Nein zu sagen und für sich zu sorgen gilt immer noch als egoistisch.
  • Manche Eltern haben ein schlechtes Gewissen ihren Kindern gegenüber, weil sie zu viel arbeiten und sagen deswegen nicht Nein.

Es geht beim Nein sagen nicht darum, den Kindern Grenzen zu setzen. Sondern es geht um unsere eigenen Grenzen und darum, Ja zu uns selber zu sagen. Damit übernehmen wir Verantwortung für uns und fühlen uns wohler in unserer Haut. Eine Familie funktioniert natürlich nicht, wenn ich meinen eigenen Bedürfnissen immer den Vorrang gebe. Es ist ein Wechselspiel zwischen den Bedürfnissen des Einzelnen und den Bedürfnissen der Familie, bei welchem alle ernst genommen werden. Das bedeutet, die Gedanken, Erfahrungen, Ängste und Erwartungen der anderen Familienmitglieder mit in seine Überlegnungen einzubeziehen. Wenn wir unsere Bedürfnisse und Grenzen ernst nehmen und gleichzeitig die unserer Partner und Kinder, schauen sich die Kinder das Nein sagen von uns ab und sie lernen es, die Grenzen und Bedürfnisse anderer Menschen zu akzeptieren.

Um für mich einzustehen, muss ich mich selber kennen. Was brauche ich, um mich zu entspannen? Was brauche ich, um meine Lebensfreude zu spüren? Wie komme ich in meine Kraft? Bin ich ein extrovertierter Mensch und bekomme Energie, wenn ich mit anderen zusammen bin oder bin ich eher introvertiert und brauche regelmäßig Zeit für mich alleine?

Wenn wir damit beginnen, in der Familie zu unseren Bedürfnissen, Werten und Grenzen zu stehen, brauchen wir eine gewisse Ausdauer, bis die anderen dies akzeptieren. Unser Nein wird auch zu Frustrationen bei den Kindern führen. Diese Frustration gilt es auszuhalten und ernst zu nehmen.

Der Familie die eigenen Grenzen zu zeigen und Kindern und Partnern Wünsche abzuschlagen ist eine große Herausforderung und gleichzeitig tut es allen gut, in einer Familie zu leben, in der persönliche Verantwortung übernommen wird.

Wenn Sie Probleme damit haben, Nein zu sagen und sich Unterstützung wünschen, können Sie sich gerne an mich wenden!

Literatur
Jesper Juul, Nein aus Liebe, Weinheim 42016

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